Am Sonntag ist der 9. November.
Seltsam, dass es so was gibt wie einen deutschen „Schicksalstag“.
1918, doppelte Ausrufung der Republik, einmal durch Scheidemann, einmal durch Liebknecht.
1938 Reichspogromnacht, brennende Synagogen, brennende Bücher, zerstörte jüdische Geschäfte, kein Widerstand.
1989 Fall der Berliner Mauer.
Verrückt.
Der 11. November war jahrelang mein persönlicher Weltuntergangstag.
Sankt Martin, Rabimmel Rabammel Rabumm.
Lange Newsletterleser kennen mein schwieriges Verhältnis zu Laternenumzügen. Der Hahn, der kräht, die Katz miaut.
Wie ich es verabscheut habe, das Laternenlaufen.
Den mitgebuchten Regen, die mitgebuchten Tränen. Weil die Laterne mitgebucht in die Pfütze fiel, weil die Kerze mitgebucht dauernd ausging… Und weil wir immer Schlusslicht waren, einer zerklüfteten Veranstaltung hinter rannten, warum auch immer.
Eins ist sicher: Sankt Martin, der edle Held, reitet und rettet ohne Oma Bine.
Die bereitet fleißig das Gänseessen vor. Die Köche zaubern in großen Zubern köstliche Beilagen und aromatische Soßen, ich zermarter mir einstweilen den Schädel auf der Suche nach dem ultimativ bestem Dessert, bestelle edle Tropfen als Menübegleiter und sinniere über Tischdekoration und Speisekartengestaltung. Da fließt viel Zeit und Liebe rein, das mag ich.
In Bücher fließen übrigens auch viel Zeit und Liebe.
Ich schimpfe ja gelegentlich ganz gern: Für die Lesung am heutigen Abend haben bisher 3 Menschen reserviert. Drei.
Heute Abend kämpfen keine Eintrachtspieler alleine gegen Tausende Neapolitaner, das Wetter ist herrlich und der Roman, der heute Abend vorgestellt wird, spielt in einem Dorf in der Wetterau, Sex and Crime bei uns daheim. Ehrlich gesagt, weiß ich nicht, ob es viel Sex und Crime gibt, aber der Autor, promovierter Historiker, bietet mit seinem Roman „Winterling“ einen kenntnisreichen Einblick in das bäuerliche Leben des 17. Jahrhunderts. Hülsbörner beschreibt Färberei, Weinanbau, Landwirtschaft, Jagd und Hexenprozesse mit unglaublich viel Faktenwissen und Details, vielleicht heute Abend noch nichts vor??
Die Lesung beginnt um 19:00 Uhr.
Sie können auch vorher zum Essen kommen. Passend zur Wetterau machen wir Grünkohl, ja freuen Sie sich ruhig, Grünkohl mit Schweinebauch und Mettworscht, das passt ja wohl top!
Wer beim persönlichem Ranking lokale Küche nicht unter „must have“ verbucht, der kann sich mit einem marokkanischem Harissahähnchen und Cous Cous trösten.
Weil sie so unglaublich gut schmecken oder weil sie so unglaublich gut ankommen oder weil die Schnittmenge aus beidem perfekt ist, gibt es noch immer diese weißen Bohnen, wie ein Risotto gekocht, Spitzkohl oder Lachs obenauf – himmlisch.
Das Wetter ist auch himmlisch, ich geh jetzt raus, liebe Grüße
die Sabine vom Mutz
