Newsletter 18.03.2025

Heinrich Kromer, Julius Ziehen, Friedrich Wöhler, Herrmann Helmholtz.
Die neue IGS auf dem Riedberg nennt sich nach Josephine-Baker.
Schulen heißen nach berühmten Persönlichkeiten.
Schüler und Schülerinnen der jeweiligen Institution stecken ihre strubbeligen Köpfe irgendwann im Laufe ihrer Zeit an diesem Ort über einem Wikipedia-Eintrag zusammen. Wer war Max Beckmann? Was machte Peter Petersen?
Oder sie schlendern durch den Stadtteil, vielleicht treibt sie die Neugierde sogar in Archive, suchen andere Quellen mit Informationen über den Namensgeber „ihrer“ Schule.
Mich treibt die Vorstellung um, ich dürfte auch mal den Namen für eine Schule aussuchen.
Meine Schule hieße Karolina Cohn Schule.
Oder Lilly Luwisch-Schule.
Selma Klein- oder Clara- Friesem Schule.
Die Liste der Möglichkeiten ist fast endlos.
Ich weiß nichts über diese jungen Frauen. Oder besser: Ich weiß, dass ihnen ihr Leben genommen wurde.
All diese Frauen wurden aus Frankfurt deportiert und ermordet.
Sie hatten keine Chance, ihr Leben zu leben.
Keine Chance, berühmt zu werden.
Keine Chance, auf einem Straßenschild zu stehen oder gar mit dem Namen einer Schule gewürdigt zu werden.
Sie konnten weder Lehrerin noch Professorin werden, keine Entdeckungen machen oder bahnbrechende Dinge erfinden.
Was immer sie auch in sich trugen, Freude an Musik oder Talent zur Malerei, Neugierde, um Phänomene zu erforschen oder immense Energie, um ihre Fähigkeiten zu entwickeln: Keine Chance.
Man hat ihnen ihr Leben genommen.
Man hat sie ermordet, weil sie Jüdinnen waren.
Karolina Cohn wurde 12 Jahre alt, Lilly Luwisch 18, Selma Klein starb mit 31, Clara Freisem wurde mit 34 Jahren ermordet.
Ich versuche, zu verstehen, was das heißt, 12.000 Juden wurden aus Frankfurt deportiert.
Aus dem Alltag gerissen. Aus dem Job geworfen. Kein Schulbesuch mehr. Entrechtet, verfolgt, in ein Lager gesteckt.
12.000 Menschen.
Leben. Liebe, Gegenwart, Zukunft. Zerstört.
Vermutlich hat Karolina Cohn nie einen Jungen geküsst. Vielleicht wäre Lilly Luwisch eine berühmte Anwältin geworden. Selma Klein eine wunderbare Oma.
Ich stelle mir vor, wie junge Schüler und Schülerinnen recherchieren.
Wie sie einen Fuß in die Vergangenheit setzen. Wie sie vielleicht vom Zigarrengeschäft in der Liebfrauenstrasse lesen, das die Eltern von Lily Luwitsch betrieben. Die Liebfrauenstrasse entlanggehen, nach Spuren der Vergangenheit suchen, vielleicht dabei lernen, dass das Gardinengeschäft in der Liebfrauenstraße 1-3 im März 1933 einfach „arisiert“ wurde, den jüdischen Eigentümern weggenommen.
Oder sie forschen zu Clara Friesem. Eine junge Frau, mit 28 Jahren verhaftet, wegen „Beihilfe zu einer hochverräterischen Tätigkeit“, sie hatte eine Schreibmaschine für eine kommunistische Hilfsorganisation besorgt.
Ich stelle mir vor, wie die Schüler eindringen in all den Wahnsinn des Nationalsozialismus. Wie ein ganzer Jahrgang forscht. Und stutzt.
Wie sie lernen, dass dieses eine ungelebte Leben stellvertretend steht für viele.
Kaum vorstellbar viele.
Wie die Kinder einzelnen Schicksalen nachgehen und somit Vergangenes würdigen, einfach durch die Befassung.

Am Sonntag, den 23.3. stellt Eva Szepesi zusammen mit ihrer Illustratorin Stephanie Lunkewitz ihr Buch „Ich war Eva Diamant“ vor. Frau Szepesi wurde 1945 im Alter von 12 Jahren aus dem Konzentrationslager Auschwitz befreit. Da Frau Szepesi 92 Jahre alt ist, ist ihre Teilnahme zwar fest eingeplant, aber natürlich altersentsprechend nicht sicher.
Die Veranstaltung beginnt um 17:00 Uhr.

Ausnahmsweise gibt es keine harmonische Überleitung zu dem Essen, auch wenn es eine ganz wunderbare, ganz eigene Geschichte ist, wie man selber Bratwurst macht, wie WIR heute selber Bratwurst gemacht haben.
Selbstgemachte Bratwurst essen können Sie diese Woche bei uns, die Geschichte bleibe ich Ihnen schuldig.
Soviel, bekomme ich immer erklärt, will der Internet-User niemals lesen.
Dank der Tatsache, dass mich einige von Ihnen darauf aufmerksam gemacht haben, dass es sehr wohl schon Bärlauch gibt, ist der Koch gleich am Samstagfrüh vor zu tuender Arbeit in den Wald gestapft. Bärlauch pflücken.
Schon seit Samstag gibt es also nunmehr Bärlauchrisotto, es schmeckt wirklich wie der Frühling, herrlich.
Weil man jeden Tag eine gute Tat tun soll, habe ich meinen „freien“ Tag genutzt und Espressoparfait nach Ottolenghi gemacht – krass viel Arbeit, die sich krass lohnt, es ist beschreiblich lecker, etwa so: Sie stecken Ihre Gabel durch in eine Schokoladen-Haselnussbaiserschicht, erst im Mund spüren Sie diese köstlichen Kaffeekrokantsplitter, die die Schokolade krönen. Mit dem Löffel führen Sie das halbgefrorene, herrlich nach geröstetem Espresso schmeckende Parfait zu Ihrem Mund, die Mischung am Gaumen—— wow, gigantisch.

Bratwurst, Bärlauchrisotto, Parfait-
Ich freu mich auf Sie 😉

die Sabine vom Mutz